Elektrische Lkw sind längst kein Nischenexperiment mehr. Sie werden zunehmend zum zentralen Bestandteil der europäischen Logistiktransformation – unterstützt durch Lösungen zur Flottenelektrifizierung, die Unternehmen helfen, sich an neue Emissionsstandards anzupassen. Während CO₂-Vorgaben strenger werden, die Ladeinfrastruktur wächst (wenn auch nicht ohne Herausforderungen) und die Energiekosten schwanken, stehen Logistikunternehmen vor großen Entscheidungen.

In diesem Interview sprechen wir mit Michael Hubschneider, Senior Product Manager bei PTV Logistics, über die Weiterentwicklung des PTV EV Truck Route Planner, der die Routenplanung für elektrische Flotten vereinfacht. Wir beleuchten aktuelle Herausforderungen und neue Technologien, die die Zukunft der Flottenelektrifizierung prägen.

  1. Was ist der größte Fehler bei der Routenplanung mit elektrischen Lkw?

„Der größte Fehler ist, elektrische Lkw wie Diesel-Lkw mit Batterie zu behandeln – also sich nur auf Reichweite und Ladezeiten zu konzentrieren, ohne zu verstehen, wie grundlegend sich dadurch die gesamte Logistik verändert.

  • Das Datenlücken-Problem: Ohne digitale Zwillinge, die die reale Fahrzeugleistung in spezifischen Logistikszenarien abbilden, greifen Unternehmen auf grobe Schätzungen oder teure Trial-and-Error-Tests mit echten Fahrzeugen zurück. Die Reichweite unter realen Bedingungen – Nutzlast, Gelände, Wetter, Mehrstopp-Routen – zu simulieren, bevor Investitionen getätigt werden, ist entscheidend, wird aber selten gemacht.
  • Die verpasste Optimierungschance: Ein weiterer kritischer Punkt ist die Annahme, dass elektrische Lkw dieselbetriebene Abläufe einfach nachbilden müssen. Das führt zu konservativen „Elektrifizierungsquoten“, die den tatsächlichen Vorteil beim Total Cost of Ownership (TCO) verfehlen.

E-Fahrzeuge haben deutlich geringere Betriebskosten – entscheidend ist, ihre Nutzung über längere tägliche Zeitfenster zu maximieren, auch wenn Zwischenladungen nötig sind. Ein Diesel-Lkw fährt vielleicht 8 Stunden und wird dann abgestellt.

Ein E-Lkw kann mit einer Zwischenladung potenziell 12+ Stunden fahren – das verbessert die Auslastung und senkt die Kosten pro Lieferung.

Das ermöglicht auch eine intelligente Mischflottenoptimierung: Fahrzeuge werden je nach Streckenprofil, Kosten und Reichweite eingesetzt. E-Fahrzeuge auf wirtschaftlich sinnvollen Strecken (z. B. vorhersehbare urbane Routen mit Ladezugang), Diesel für Sonderfälle. Aber das funktioniert nur, wenn man Szenarien modellieren und vergleichen kann.

Die erfolgreichen Teams bei der Flottenelektrifizierung kaufen nicht einfach E-Lkw – sie gestalten ihre Abläufe neu, basierend auf den Stärken von E-Fahrzeugen, und nutzen Simulationen, um die optimale Strategie vor der Investition zu finden.“

Weitere EInblicke in die Thematik – Diesel-Flotte vs. EV-Routenplanung: Was ist der Unterschied und warum ist er wichtig?

  1. Warum hat PTV Logistics den PTV EV Truck Route Planner entwickelt? Welche Trends machen das Tool unverzichtbar?

„Seit 2023 nimmt die Verbreitung von E-Lkw in Europa stark zu – getrieben durch strengere CO₂-Vorgaben, Null-Emissionsziele und steigende Energiekosten. Flottenbetreiber brauchen Tools, die sowohl die operative Effizienz als auch den Total Cost of Ownership (TCO) optimieren. Der PTV EV Truck Route Planner unterstützt sie dabei – sowohl bei der großflächigen Elektrifizierung als auch bei der täglichen Routenplanung.“

  1. Wie unterstützt das Tool Unternehmen dabei, die Gesamtbetriebskosten (TCO) einschließlich Faktoren wie Batterieverschleiß, Energiepreise, Ladeinfrastruktur und streckenbasiertem Energieverbrauch zu schätzen und zu optimieren?

„Die Berechnung des Energieverbrauchs ist die Grundlage für Szenarienplanung. Der EV Truck Route Planner geht weit über einfache Reichweitenschätzungen hinaus: Er ermöglicht die Simulation des Energieverbrauchs auf Basis spezifischer Fahrzeugmodelle. Anders als bei Diesel-Fahrzeugen unterscheiden sich E-Fahrzeuge stark – etwa durch unterschiedliche Batteriekapazitäten und reale Einsatzbedingungen.

Die Planner:innen berücksichtigen Ladepausen, Nutzlasten, Servicezeiten sowie Ladebedarf und Ladezeitpunkte. So entsteht ein realistisches Bild der Fahrzeugnutzung und Betriebskosten. Kostenfaktoren werden einzeln berechnet – inklusive Mautkosten (oft null für E-Fahrzeuge) oder Mautkilometer. Flottenbetreiber:innen können ihre Diesel-Abläufe benchmarken und Strecken planen, die Effizienz, Emissionen und langfristige Betriebskosten ausbalancieren.“

  1. Welche Rolle spielt Simulation bei der Vorbereitung auf E-Flotteneinsatz?

„Simulation ist entscheidend, um fundierte, datengestützte Entscheidungen beim Umstieg auf E-Fahrzeuge zu treffen. Sie erlaubt es, verschiedene Routen- und Lade-Strategien zu testen, Fahrzeugkonfigurationen zu vergleichen und Variablen wie Nutzlast, Wetter oder Batteriekapazität zu bewerten – alles, bevor reale Änderungen vorgenommen werden.

Diese Szenarien zeigen, wo Ladeinfrastruktur benötigt wird, welche Fahrzeuge für welche Strecken geeignet sind und wie saisonale Faktoren wie Wintertemperaturen die Leistung beeinflussen. Simulation liefert die KPIs und Stabilitätsprüfungen, die für eine sichere Planung nötig sind.“

  1. Welche Daten braucht man für die Routenplanung mit E-Fahrzeugen?

„Zunächst muss man die Transportbedarfe verstehen – also aktuelle Routen, Fahrzeuge und deren KPIs analysieren. Diese Daten sind zwar nicht direkt für die Routenplanung nötig, bieten aber wertvolle Einblicke in bestehende Abläufe.

Für die eigentliche Planung braucht man: das zu simulierende Fahrzeugmodell, das Datum der Simulation sowie Streckendetails wie Stopps, Nutzlasten pro Stopp und optional Servicezeiten, verfügbare Ladeoptionen und deren Ladegeschwindigkeit sowie den Energieverbrauch durch Nebenaggregate (ePTO) an jedem Standort.“

  1. Was bedeutet „optimiert“ im Kontext von E-Fahrzeugen und wie sollte Erfolg neu definiert werden?

„Optimierung beginnt mit Machbarkeit. Strecken müssen innerhalb der Reichweite des Fahrzeugs liegen – mit Puffer für sicheren Betrieb. Depots müssen ausreichend Energie für das Laden bereitstellen, ggf. mit zusätzlichem Batteriespeicher.

Kostenwirksamkeit ist ebenfalls zentral. In Ländern mit geringeren Mautkosten für E-Fahrzeuge – etwa Deutschland, Schweiz, Österreich und bald die Niederlande – sollten diese Strecken bevorzugt werden. Depotladung ist meist günstiger als öffentliches Laden, und durch Solarstrom und Batteriespeicherung lassen sich die Energiekosten weiter senken.

Optimierung bedeutet auch Zugang ermöglichen. Manche Gebiete sind nur mit E-Fahrzeugen erreichbar, z. B. am Brennerpass, wo weniger Einschränkungen gelten. All diese Faktoren tragen zu einer erweiterten Definition von Erfolg bei der E-Routenplanung bei.“

  1. Welche EU-Vorgaben sollten Logistikunternehmen bei der E-Routenplanung beachten und wie unterstützt der PTV EV Truck Route Planner dabei?

„Regulatorik ist ein zentraler Treiber der Elektrifizierung. In der EU sorgen strenge CO₂-Ziele für schwere Nutzfahrzeuge dafür, dass die Branche jetzt handeln muss. Betreiber müssen Vorgaben wie das Fit-for-55-Paket, die AFIR-Richtlinie zur Ladeinfrastruktur und aktualisierte CO₂-Standards berücksichtigen – all das beeinflusst die Flottenplanung.

Der PTV EV Truck Route Planner hilft Unternehmen, sich an diese Anforderungen anzupassen – durch Bewertung der Streckenmachbarkeit, Infrastrukturplanung und Simulation langfristiger Compliance-Strategien. Praktische Funktionen wie die Erkennung von Null-Emissions-Zonen (ZEZs), Mautstraßen und Streckenbeschränkungen unterstützen die Einhaltung der Vorgaben und vermeiden teure Fehlplanungen.“

  1. Was ist der wichtigste strategische Schritt für Entscheider:innen im Bereich E-Flottenplanung?

„Zuerst sollte die Netzanschlusskapazität der Depots überprüft und kosteneffiziente Erweiterungsmöglichkeiten geprüft werden – oft ist das der limitierende Faktor bei der Elektrifizierung.

Danach sollten Szenarien entwickelt werden, die von Depots mit ausreichender Ladeenergie ausgehen. Dabei sollten verschiedene Fahrzeugvarianten und Logistik-Use-Cases berücksichtigt werden. Regelmäßige Inter-Depot-Routen sind einfache Kandidaten, und auch bestehende Strecken mit hohen Dieselbetriebskosten lassen sich identifizieren.

Der Einstieg mit einem ersten Battery Electric Vehicle (BEV) – z. B. per Leasing – samt Infrastruktur ist ein sinnvoller Weg, frühzeitig Erfahrungen zu sammeln.

Wichtig ist auch, Lade-Szenarien von Anfang an in die Planung einzubeziehen. Beim Skalieren wird die Routenoptimierung für Mischflotten aus E- und Diesel-Fahrzeugen entscheidend, um TCO und Effizienz langfristig zu steigern.“

  1. Was wird in der Branche überbewertet oder missverstanden?

„Vielleicht Wasserstoffkonzepte wie Brennstoffzellenfahrzeuge. Eine spannende Zukunftstechnologie, aber aktuell sind die Kosten zu hoch, grüner Wasserstoff ist knapp und es gibt technische Herausforderungen.

Gleichzeitig erreichen E-Lkw bereits Reichweiten, die in Kombination mit Megawatt-Ladung vieles ermöglichen. Der Hype um Wasserstoff nimmt derzeit deutlich ab – aber es könnten Chancen entstehen, wenn grüner Wasserstoff etwa 5 €/kg kostet, insbesondere wenn nicht genug elektrische Energie an Depots verfügbar ist.

Erfahren Sie mehr – Die Zukunft der EV-Logistik: Routenplanung der nächsten Generationhttps

Die Flottenelektrifizierung selbst ist keineswegs überbewertet. Sie ist der Gamechanger, der den TCO Jahr für Jahr verbessert – dank Fortschritten in der Batterietechnologie, sinkender Preise und wachsender öffentlicher Infrastruktur. Diese Entwicklungen ermöglichen zunehmend auch Langstreckenanwendungen.“

Jetzt den PTV EV Truck Route Planner live testen!

Machen Sie den ersten Schritt zur Dekarbonisierung Ihrer Flotte hin zum Umstieg auf elektrische Lkw.