Der Verkehr in Innenstädten ändert sich, wird aber nicht unbedingt weniger. Ein steigender Onlinehandel und die oft verringerte Lagerhaltung sorgen dafür, dass die Anzahl an Auslieferungen steigt und sich unterschiedliche Lieferservices gegenseitig behindern. Gleichzeitig arbeiten die Gemeinden und Verwaltungen daran, besonders die Innenstadtbereiche zu verkehrsberuhigten Zonen umzubauen und den fließenden Verkehr in Randzonen zu verlagern. Es drohen regulatorische Maßnahmen, welche die Anzahl der Fahrzeuge insgesamt beschränken oder Obergrenzen für bestimmte Fahrzeuggrößen vorsehen. Damit ließen sich die Emissionen deutlich reduzieren.
In einer sogenannten 15 Minuten-Stadt sollen alle wichtigen Anlaufstellen für die Stadtbewohner*innen innerhalb von rund 15 Minuten erreichbar sein – mit nachhaltigen Verkehrsmitteln. Wäre das möglich, nähme der Autoverkehr auf den Straßen drastisch ab. Das Konzept aus dem stadtplanerischen Kontext ist jedoch nicht so einfach umzusetzen. Gefragt sind Lösungen für eine moderne innerstädtische Logistik.
Lastenfahrräder, eine Alternative?
Bei dem Thema innerstädtischer Lieferverkehr wird schnell der Ruf nach Lastenfahrrädern laut. Wendig, flexibel und mit geringem Energieverbrauch scheinen sie die Alternative für einen CO2-reduzierten Lieferverkehr in der City zu sein. Gerade im klassischen Expressgeschäft, zum Beispiel bei der Belieferung von Apotheken mit kurzfristig bestellten Medikamenten, stellt ein Lastenrad eine gute Alternative dar. Sind die Räder mit elektrischen Antrieben ausgestattet, können Lieferanten zudem Streckenlängen und Fahrzeiten deutlich erweitern.
Das Volumen der Liefermenge ist jedoch begrenzt. Matthias Hormuth, Head of Products bei der PTV Group und langjährig im Bereich Logistik tätig, kennt sich aus: “Auch wenn der Anteil der eingesetzten Fahrräder kontinuierlich steigt, lassen sich aktuelle Liefermengen in der Innenstadt nur schwer auf Lastenfahrräder verteilen, der Lieferumfang eines 40-Tonners ist nicht einfach ersetzbar. Ein Lösungsansatz für die innerstädtische Logistik sind daher neue Lieferstrukturen.“
Neue Lieferstrukturen
In Großstädten gibt es viele Projekte und Beispiele, in denen die kleine Feinverteilung über Räder funktioniert. Mit einer entsprechenden Fahrradinfrastruktur sind die Auswirkungen auf den Verkehrsfluss noch positiver: Für die optimale Planung solcher Lieferstrukturen lassen sich viele Szenarien der Citylogistik per Software simulieren. Aber die Kombination macht’s: Die Lösung für eine großflächige Planung führt direkt zur einer Verlagerung von Transporten auf unterschiedliche Verkehrsträger – wobei das Lastenfahrrad einen Teil der Möglichkeiten darstellt. Werden kleine innerstädtische Sammelstellen für Pakete eingerichtet, sogenannte Mikro-Depots, von denen aus die Transportdienstleister ausliefern, könnten gerade hier Lastenräder zum Einsatz kommen.
Ein weiterer Ansatz stellt die Bündelung von innerstädtischen Transporten dar. Also das Zusammenlegen von Fahrten und die bessere Auslastung der Fahrzeuge. Um wirksam zu bündeln, müssten die Transportdienstleister eng zusammenarbeiten oder die Auslieferungen auf der letzten Meile an ein unabhängiges Unternehmen übertragen: eine große Herausforderung für die oftmals vielen kleinen Anbieter innerstädtischer Transporte.
Flotten mit alternativen Antrieben
Ein erster Schritt für den Logistikdienstleister selbst wird daher sein, seine Flotte auf alternative Antriebe umzustellen oder verschiedene Antriebsformen zu kombinieren. Ab dem Jahr 2035 sollen europaweit keine Verbrennungsmotoren mehr gebaut und zugelassen werden. Die Alternativen stehen bereit: Der Elektroantrieb boomt, aber auch Wasserstoff- und Gas-betriebene Fahrzeuge sind auf dem Markt. Die Euphorie wird dabei im Wesentlichen begrenzt durch zwei Faktoren: die maximale Reichweite und eine passende Ladeinfrastruktur. Jeder Antrieb hat dabei seine Vor- und Nachteile – auch für die Auslieferung in Innenstädten.
„Der Logistikdienstleister steht damit vor der Frage, an welcher Stelle konventionelle Antriebe oder die Alternativen optimal einsetzbar sind“, sagt Hormuth, „die Umstellung auf eine gemischte Flotte erfordert eine neue Transportoptimierung, welche die gegebenen Rahmenbedingungen bestmöglich berücksichtigt.“ Dabei darf der Faktor Nachhaltigkeit nicht aus wirtschaftlicher Sicht zu Nachteilen führen.
Futuristische Ansätze
Der Kreativität in der Erfindung neuer futuristischer Ansätze für die Gütermobilität im urbanen Raum sind kaum Grenzen gesetzt. Eine Reihe von Ideen und konkreten Projekten beschäftigt sich mit Robotern als städtische Lieferanten. Im Pilotprojekt Efeucampus legen mobil und autonom agierende kleine Roboter Lieferungen vor der Haustür ab und nehmen neue Waren auf. Damit möchten die Projektteilnehmer einen Weg entwickeln, um KEP-Dienstleister, das Verkehrsaufkommen in der Innenstadt und die Umwelt zu entlasten. Auch Ford testet schon seit zwei Jahren autonome Auslieferungsroboter.
Weitere Konzepte sehen in der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs eine praktische Möglichkeit für die Verteilung von Waren. Selbstfahrende Roboter sollen demnach im Kofferraum mitfahren und an Lieferadressen aussteigen. Man könnte auch mobile Packstation vorkommissionieren und dann an zentralen, aber Lieferadressen-nahen Punkten abladen. Ein interessantes Projekt läuft aktuell in der Schweiz: Cargo sous terrain steht für ein digitales landesweites Gesamtlogistiksystem, das große Verteilzentren verbindet und eine unterirdische Feinverteilung von Gütern vorsieht.
Realistische Lösungen
Kleinteilige Verteilstrukturen stellen grundsätzlich den sinnvollsten und realistischsten Ansatz zur Lösung der Verteilprobleme im urbanen Raum dar – gepaart mit zentralen, über die Stadt verteilten kleinen Logistikhubs. Entlastungen bringen zusätzlich ein Lieferzonenmanagement und strategische Lösungen für die letzte Meile sowie eine Software-optimierte Routenplanung. Die sukzessive Optimierung und Ergänzung der Flotte um kleine elektrische Lieferfahrzeuge und Lastenfahrräder aber auch neue Regelungen im Bereich von expliziten Lade- und Lieferzonen in Innenstädten können zur Verbesserung beitragen.
Für zeitnahe Lösungen sorgt grundsätzlich die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette: „Wir reden wenig darüber, weil wir es bei PTV seit über 40 Jahren tun“, weiß Hormuth. „Entsprechende Algorithmen sorgen dafür, dass Rahmenbedingungen wie das Umfahren von Low Emission Zones genauso berücksichtigt werden, wie Zeitfenster, Verkehrsdichte oder unterschiedliche Verkehrsträger. Um einem diversifizierten Markt und den Herausforderungen der innerstädtischen Logistik gerecht zu werden, brauchen wir die Digitalisierung. Nur im digitalen Zusammenspiel können sich Städte wie Paris, Hamburg oder Utrecht als „Best Practice“ positionieren und gleichzeitig die innerstädtische Logistik optimieren.“
Unsere (Innen-) Städte sind heutzutage mit Kraftfahrzeugen verstopft, und einen nicht unwesentlichen Beitrag zum regelmäßigen (kleinräumigen) Verkehrschaos tragen die unzähligen KEP-Dienste mit Ihren unzähligen Lieferwagen bei, oftmals fahren gar mehrfach täglich Fahrzeuge ein und desselben Paketdienstes durch ein und dieselbe Straße.
Ich stelle die vielleicht provokante Frage: Warum müssen Pakete bis in den privaten Haushalt zugestellt werden? Ich sehe es als sinnvoll an, bis auf wenige besondere Ausnahmen auf die Paketzustellung in Privathauhalte zu verzichten. Die Vorteile aus verkehrlicher und ökologischer Sicht sind selbstredend. Die Lösung wäre ganz einfach: Jeder Haushalt muss seine Pakete selbst abholen, und zwar in zentralen Verteilzentren. Das kann man zu Fuß, mit dem Rad oder im Ausnahmefall bzw. bei großen oder schweren Sendungen auch mal mit dem eigenen Pkw erledigen. Angenehmer Nebeneffekt: Vielleicht bestellen die Leute dann weniger, und gehen wieder mehr im örtlichen Einzelhandel einkaufen?
Ein spannendes Thema, das sollte die Politik mal angehen.