Die ganze Welt sucht einen Weg aus der Corona-Krise. Nach der rasanten Globalisierung durch moderne Technik und Digitalisierung steht die Bevölkerung vor dem ‚globalsten‘ Thema der Neuzeit: Überall, wo Menschen leben, lebt auch das Coronavirus. Die Bedrohung ist bittere Realität. Neue Impfstoffe vermitteln Hoffnung, aber stellen die Länder auch vor neue Herausforderungen: Wie, an wen und in welcher Reihenfolge verteile ich das wertvolle Serum? Die Basis für entsprechende Entscheidungen bilden: Daten.
Im Gesundheitswesen spielen Daten über die Soziodemographie der Bevölkerung eine entscheidende Rolle: natürlich die Altersstruktur aber beispielsweise auch die Häufung bestimmter Krankheiten. Die Kunst ist dabei nicht, Informationen zu sammeln, sondern diese bedarfsgerecht in passenden Planungstools einzusetzen. Andreas Lehr, Head of Sales bei der DDS Digital Data Services GmbH, weiß wovon er spricht: „Wir verfügen über eine Vielzahl an soziodemographischen Daten. Aber welche Aspekte sind heute wichtig, wie wird sich die Bevölkerung entwickeln und welchen Bedarf erleben wir übermorgen? Verschiedene Ansätze verlangen unterschiedliche Planungen – und damit mannigfache Daten.“
Wie feinräumig müssen Daten sein?
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sorgt für die flächendeckende ärztliche Versorgung in Deutschland und dafür, dass die Qualität der Leistungen stimmt. Damit hat die KBV täglich Bedarf an unterschiedlichsten Daten. Lehr erklärt: „Wir haben in Deutschland zum Beispiel eine hinreichend gute Versorgung mit Allgemeinmedizinern. Diese entsteht eher aus einer Kapazitäts- und Verteilungsplanung denn aus einer reinen Bedarfsplanung nach soziodemographischem Aspekt.“ Um eine Häufung in beliebten Regionen oder Stadtgebieten zu vermeiden, gilt es, feinräumig zu planen. Pascal Schöpe, Senior-Referent bei der KBV, weiß: „Die Visualisierung von Daten in hoher räumlicher Granularität ist eine Grundvoraussetzung.“ Er erläutert im Interview die genaue Herangehensweise der KBV – und unter anderem die Frage nach der Gerechtigkeit der Verteilung von Ärzten.
Die passende Dosis an Impfzentren
Übertragen lassen sich diese Planungsmechanismen auf die Handelsgeografie – also auch auf die Frage nach der Platzierung von Impfzentren –, indem man das Konzept der zentralörtlichen Funktion anwendet. So haben Impfzentren ein großes Einzugsgebiet, vergleichbar mit Möbelhäusern. Dagegen sollte die Verteilung von Hausärzten deutlich feinräumiger analysiert werden: in etwa so, wie die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs wie Nahrungs- oder Drogerieartikel.
„Für die Verteilung von Hausärzten kann man gut und gerne ein 100-Meter-Grid verwenden“, erklärt Lehr. „Das DDS-Data-Grid betrachtet dabei Gebiete von 100 Metern Kantenlänge.“ Bei Impfzentren reicht dagegen die PLZ-5-Ebene aus, also Gebiete, die durch die Postleitzahlen definiert sind. „Alternativ auch PLZ-8“, ergänzt Lehr, „ein künstliches Produkt, welches von DDS vermarktet wird, um deutschlandweit eine homogene Mikrogeometrie zu erhalten: im Durchschnitt zirka 500 Haushalte pro Gebiet, also etwa 80.000 Gebiete deutschlandweit.“
Soziodemographie in Straßenabschnitten
Wirklich aussagekräftig werden Daten im Allgemeinen und soziodemographische Daten im Besonderen erst, wenn man sie sinnvoll räumlich verknüpft. „SocioStreets sind hier ein schönes Beispiel“, sagt Lehr, „also straßenabschnittsbezogene Sachdaten.“
In einem fest definierten Gebiet oder Straßenabschnitt lassen sich verschiedene Sachdaten mit Raumbezug zuordnen: Inhalte, die räumlich von ‚Kreuzung bis Kreuzung‘ projiziert werden und so im Straßenraum leicht verortet werden können. Beispielsweise die Verteilung von Haushalten nach ihrer Größe oder sogar nach ihrer Kaufkraft für bestimmte Kleidung. Solche Daten können in die Planung der Nachsorge nach der Impfung einfließen. Zudem lassen sie sich für das Geomarketing nutzen, das den klassischen Marketing-Mix um die räumliche Sicht ergänzt.
Geomarketing für die optimierte Abdeckung der Risikogruppen
An welcher Stelle kommt das Geomarketing ins Spiel? „Vor allen Dingen in der Gebietsplanung“, so Lehr. „Man kann wunderbar eine Potenzialplanung anschließen: So darf ein Impfzentrum nur eine begrenzte Anzahl an potenziell zu impfenden Personen umfassen. Genau wie bei einer umsatzgetriebenen Potenzialanalyse. Wenn Sie hier den Bezug zum Alter ergänzen, erhalten Sie eine optimierte Abdeckung der Risikogruppen. Gleichzeitig lassen sich über Geomarketingtools wie PTV Map&Market auch die Besuche in Alten- und Pflegeheimen oder die Fahrten zur Nachimpfung planen. Ich glaube, dass die Verteilung der Impfzentren selbst weniger geoanalytische Analyse erfordert. Die Zentren benötigen in erster Linie Platz, wie bei Messezentren.“
Also konzentriert sich der weise Planer nicht nur auf Soziodemographie. Er berücksichtigt auch die zur Verfügung stehende Fläche, die Erreichbarkeit, zum Beispiel die Nähe zur Autobahn und die ausreichende Verteilung von Ärzten zur Nachpflege. So hat das Land Baden-Württemberg beispielsweise einen kleinen Kriterienkatalog zusammengestellt. Viele Aspekte fließen schließlich zu einer guten Lösung zusammen; eine Vorgehensweise wie sie auch für die Planung einer Unternehmensstrategie, im Vertrieb oder im Außendienst selbstverständlich ist.
Daten im Einklang mit Soziodemographie
Daten machen die Welt von heute ein Stück verständlicher. Dafür sorgen professionelle Gebiets- und Standortplanungen die mit Zusatzdaten zu Umsatzpotentialen, Bevölkerungsdichte oder -zusammensetzung, oder zum Beispiel mit Angaben zur Alterspyramide gefüllt sind.
„Immer noch ist die Skepsis über unkontrollierbare Datenberge groß“, resümiert Lehr. „Aber gerade im Gesundheitswesen finden Daten zur Soziodemographie sowie datenbasierte Analysen und Planungen aktuell eine sinnvolle und nachhaltige Anwendung. Mit ihnen lassen sich Impfzentren optimal platzieren und am Ende hoffentlich alle Impfdosen bestmöglich verteilen. Das ist der Kern unserer Arbeit: Wer Daten will, bekommt sie überall. Wir finden jedoch die für die jeweilige Anwendung geeigneten Daten. Und wir kombinieren für jeden Bedarf auch verschiedenste Quellen zur individuell optimalen Datenlösung.“